Gesches Glück

Drei Jahre sind vergangen, seit Gesche die schwangere Magd Else in ihren Haushalt aufgenommen hat. Doch plötzlich packt den Kindsvater das Fernweh, und so entführt er kurzerhand seine kleine Tochter Trine, um mit ihr ins Morgenland zu fahren. Obwohl Wachtmeister Lührs seine Hilfe anbietet, zieht Gesche selbst los, um das Mädchen zu finden. Zusammen mit dem Dichter Rückert und dem Geschäftsmann Stechmann sticht die Altländer Bäuerin in See. Während Gesche in der Türkei die Weisheit der Derwische kennenlernt, entwickeln sich zu Hause die Dinge in eine unvorhergesehene Richtung.

Interview mit einer Hauptfigur

Die Autorin Annelie Schlobohm interviewt Gesche Wulft, Hauptfigur ihrer vier historischen Kriminalromane, die im Alten Land und Umgebung spielen

Autorin (A): Guten Tag!

 

Gesche (G): Tach!

 

A: Ich bin Annelie Schlobohm, ich habe mir die Geschichten für die Romane „Februarflut“, „Twielenfleth“, „Gesches Glück“und „Büchermord“ ausgedacht, in denen du die Hauptrolle spielst. Darf ich überhaupt „du“ sagen?

 

G: Man zu.

 

A: Vielen Dank, dass du zu diesem Gespräch gekommen bist. Hat du denn gut hergefunden?

 

G: Jo, mich hat ja jemand abgeholt.

 

A: Wie gesagt, ich bin die Autorin, die dich geschaffen hat.

 

G: So?

 

A: Was mich vor allem interessiert: Bist du zufrieden mit mir? Ich meine, das was du erlebst in den Romanen, wie ist das für dich?

 

G: Na, da gab es ziemlich viel, was ich schlecht verknusen konnte, am schwersten war das mit den Toten: Mein Bruder Garleff in der Sturmflut, mein ehemaliger Liebster Claas, dem sie den Kopf abgeschlagen haben, dann meine Freundin Trine. Aber gut war dann wieder, dass da Menschen waren, die mich getröstet und mir geholfen haben, die Spökenkiekerin Tante Metta, Krischan Lührs, Friedrich Rückert, Hinnerk Stechmann, Lütt Trine. Und dann habe ich viel erlebt, das nicht jeder im Alten Land erlebt, die Reise ins Morgenland nach Konya zum Beispiel.

 

A: Ja, ich habe dein Leben ungewöhnlich gemacht, damit die Menschen, die Geschichten von dir lesen, sie spannend fin-den.

 

G: Lesen?

 

A: Ja, du bist nämlich nicht wirklich, du lebst nur in Büchern und in den Köpfen der Menschen.

 

G: Früher war ich auch nicht wirklich? Ich meine in den Jahren 1825, 1828, 1831, 1847?

 

A: Nein.

 

G: Komisch, ich fühle mich aber ganz lebendig, damals und jetzt. Eins wollte ich noch sagen: Ich habe mich darüber gewundert, dass ich nicht das ganz Jahr von morgens bei Sonnenaufgang bis in die Nacht hinein arbeiten musste. Das ist doch so auf einem Bauernhof im Alten Land und anderswo. Man hat doch gar keine Zeit für das, was ich alles erlebt habe.“

 

A: Das stimmt. Ich konnte das aber nicht alles aufschreiben, was du getan hast.

 

G: Warum nicht?

 

A: Das ist schwer zu erklären.

 

G: Na gut, lass man. Aber ich habe auch mal eine Frage. Du hast dir mich doch ausgedacht. Wolltest du mich so haben, wie ich geworden bin?

 

A: Na ja, du hast allerhand gemacht, das mich überrascht hat. Manchmal hätte ich am liebsten gerufen: Gesche, lass das, zum Beispiel mit Claas, der hat dich doch nur ausgenutzt. Aber du hast so an ihm gehangen, meine Warnung hätte wohl nichts genützt. Und dann wollte ich gern in dem Roman „Gesches Glück“, dass ihr euch kriegt, Krischan Lührs und du. Aber es lief ganz anders, und du warst am Schluss so allein da auf dem Deich Silvester 1831, als der Mond auf die zugefrorene schneebedeckte Elbe schien, das hat mir dann leid getan.

 

G: Och, macht nichts. Das war trotzdem so schön, dieser An-blick. Es gibt eben auch solche Geschichten wie meine.

 

A: Möchtest du denn, dass ich vielleicht noch eine Geschich-te über dich schreibe, wo du dann einen Ehemann kriegst und vielleicht ein Kind?

 

G: Meinetwegen.

 

A: Versprechen kann ich aber nichts.

 

G: Es ist mir gleich. Schließlich hast du gesagt, ich bin gar nicht wirklich, warum sollte es dann für mich wichtig sein?

 

So, ich will denn mal los. Da ist ja auch schon Krischan Lührs, der mich wieder abholt. Ich habe das gut! Mich holt immer jemand ab, der sich auskennt.

 

A: Hallo, Krischan! Tschüs, Gesche!

 

G: Adschüs, Ausdenkerin! Du Krischan, du glaubst nicht, was die eben erzählt hat: Uns gibt es gar nicht!